Beka Meister Record, Berlin 09/ 1906
No. 3043
Ouverture aus "Martha" (Flotow)
Beka-Orchester
eine sehr frühe Pressung der Firma Beka
Toningenieur Willy Bielefeld
Diese Beka Platte ist 30cm groß und in sehr gutem Zustand.
Die frühen Schellackplatten enthielten meist Klassik und wurden von eigenen Orchestern bespielt, die von dem jeweiligen Label unter Vertrag genommen wurden, nicht immer zum Vorteil des Orchesters.
Eingraviert ist auch das Kürzel des Ingenieurs, der 1906 bei Beka arbeitete. Bfd für Willy Bielefeld.
Dieses kleine, nur ganz zart eingeritzte Kürzel, das von der Wachs-Ausgangsplatte auf jede damit hergestellte Schellackplatte kam, erscheint uns heute unbedeutend.
Aber es erzählt eine Geschichte von den Menschen hinter der Technik:
Willy Bielefeld war ein Toningenieur, der bei Beka arbeitete.
Er war verantwortlich für die Tonqualität und das Klangbild der Schellackplatten.
Die Toningenieure von Beka gaben ihren Platten ihre Signatur.
Sie bildeten eine besondere Gruppe von "Hintergrundstars", von denen jeder auf seine Weise Einfluss auf die Plattenqualität hatte.
Einige von ihnen kamen zu solchem Ruhm innerhalb der elitären Clique von Schellackherstellern, dass sie mit der Zeit eigene Labels oder Firmen gründeten - wie der Beka-Kollege von Willy, Wilhelm Hadert.
Unser Willy Bielefeld stellt dabei eine tragische Persönlichkeit dar. Er wurde nur 33 Jahre alt.
Eine Sterbeanzeige von 1912 zeigt uns, dass Willy als unverheirateter Rentner bei seiner Schwester Gertrud Rahneberg in Berlin, Ackerstraße 147 gestorben war.
Zu dieser Zeit gab es Invalidenrentner, die aufgrund von Krankheit wie Altersrentner bezahlt wurden. Die Rente betrug im höchsten Fall 415,- Mark/ Jahr.
Wenn man sich vorstellt, dass Willy zu den Mittelverdienern mit mindestens 2000,- bis 4000,- Mark Jahreseinkommen gehört haben dürfte, dann ist das doch sehr wenig Rente.
unten li. Vergrößerung der Signatur von Willy Bielefeld, unten re. Kopie der Sterbeanzeige im Standesamt Straußberg, publiziert bei Hugo Strötbaum http://recordingpioneers.com/index.html
Weder erfahren wir woran er starb, noch warum er Rentner war.
Kriegsinvalide konnte er 1912 noch nicht sein.
Immerhin hatte er aber doch ein spannendes kurzes Leben gehabt - er war mit Heinrich Bumb und Carl König (B K die Namensgeber und Eigner der Beka Company) auf der großen Bekareise 1905/06 rund um die Welt dabei gewesen.
Diese Reise sollte internationale Klänge bringen, die unterwegs von den Toningenieuren aufgenommen wurden. Und sie sollte der Firma zu guten Handelsbeziehungen verhelfen.
Heinrich Bumb hat ein Büchlein dazu verfasst. Die Große Beka-Weltreise ist damit zu einem eigenen Mythos geworden.
Afrika, Indien, China, Japan, Amerika gehörten dazu... man war noch mitten in der Kolonialzeit und wer etwas auf sich hielt, der reiste.
Ob Willy sich auf dieser Reise mit einer Tropenkrankheit infizierte, die seinen frühen Tod forderte, kann man nur vermuten.
Er kam wohl nach Juni 1906 zurück und begann sofort mit der Herstellung von Platten.
Unsere stammt aus dem September 1906, als einer der Gründer von Beka, Heinrich Bumb die Firma schon verlassen hatte.
Wie lange Willy noch bei Beka war ist nicht herauszufinden.
Er war jedenfalls einer der ersten Toningenieure bei Beka und auch einer der ersten Schellack-Toningenieure überhaupt, die eine ganze Generation von nachfolgenden Ingenieuren maßgeblich mit ihrem Erfindungsgeist beeinflussten.
unten li. Beka Expedition im Palmenwald bei Kairo, man gebärdete sich recht kolonial
re. Karren mit Aufnahmetechnik in Rangoon, links steht Heinrich Bumb, vor dem Karren Willy Bielefeld (Fotos von Hugo Strötbaum)
Bedenken wir, dass die Expedition mitten in den Monsun geriet und bei schwülwarmen 40°C mit hoher Luftfeuchtigkeit, Moskitos und einfachsten Hotelverhältnissen die gesamte Aufnahmetechnik per Boot und Karren transportieren musste, ohne dass sie Schaden nahm, dann wirkt ihr koloniales Auftreten in korrekter sauberer Kleidung doch recht preußisch.
Man war sich seiner Übermacht durchaus bewusst, auch noch als 1906 die Muslimliga als Instanz für die Befreiung Indiens von der Kolonialherrschaft gegründet wurde.
oben links: der Unterschied der frühen Beka Meister Record (li.) zu der 5 Jahre später entstandenen Beka Record (re.) ist gut zu erkennen
rechts: Signatur von Wilhelm Hadert (über dem Beka-Logo)
Beka Record, Berlin
B. 3769-I
Annamirl Schottisch 07/ 1911
Dachauer Bauern-Kapelle
B. 3768-II
Kreuzberger Schottisch 1912
Diese hübsche gelbe Beka gehört zu einer Reihe von Platten, die kurz nach der Übernahme von Beka durch Carl Lindström entstanden, frühestens nach 1912.
Die Lindström AG führte das Beka Label als Billigmarke weiter. Das erklärt auch den knallig wirkenden Mittelaufkleber, der im Gegensatz zu der Meister Record wenig künstlerisch wirkt.
Auch hier finden wir noch eine Signatur des Toningenieurs - ein altdeutsches H mit einem kleinen Strich auf der zweiten Haste, die so zu einem kleinen t wird. Wenn man genau hinsieht, dann entdeckt man auch noch einen Wellenstrich unter dem H, der ein W darstellen soll.
Damit unterschrieb Wilhelm Karl Johann Hadert seine Platten.
Wilhelm Hadert gehörte ebenfalls zu den ersten Toningenieuren bei Beka und er war ebenfalls Mitglied der Beka-Expedition gewesen.
Fotos unten Wilhelm Hadert, rechts Nr. 16 in der Phonographischen Zeitschrift 1925,
(publiziert bei Hugo Strötbaum)
1907 verließ er die Beka, 1908 wird er mit Kollektivprokura bei der Pathé Wien genannt.
Er wurde also zeichnungsberechtigter Geschäftsführer bei Pathé.
1913 finden wir ihn als Geschäftsführer von Lyrophon.
1920 verkauft er eine agency "Electrical" in Chicago, die in dieser Zeit wie Pilze aus dem Boden schossen.
Auf einem Foto in der Phonographischen Zeitschrift zum 25. Verlagsjubiläum 1925 ist Wilhelm Hadert mit Mitgliedern der Lindström AG abgebildet (re. Nr. 16), also wieder bei der Firma oder hatte er sie nie wirklich verlassen?
Er ging in den Zwanziger Jahren nach Illinois, gründete die VOX, verließ sie wieder, kam später zurück und 1933 finden wir ihn als Direktor von Radio Breslau.
1945 engagiert er sich für die British Troops "a play in two acts with music written by Wm. Hadert".
Wilhem Hadert war einmal geschieden, zweimal verheiratet, hatte mit Heinrich Bumb, Carl König und Willy Bielefeld die große Beka-Weltreise gemacht, lebte zeitweilig in Illinois, verließ die Beka, ging zu ihr zurück, gründete andere Firmen und hatte offensichtlich genau das Jetset-Leben, das man sich in dieser Zeit in der Gruppe der Erfinder und Firmengründer von Phonolabels vorstellt.
Er lebte bis 1951 und starb mit 75 Jahren in Deutschland (Falkensee).
Odeon O-9507, 1924
"Die tote Stadt"
Richard Tauber und Lotte Lehmann
Auf dieser Schellackplatte von Odeon finden wir eine Besonderheit - ein Autogramm.
Richard Tauber hat höchstselbst die Wachsplatte signiert, die er besungen hat.
Man muss sich das so vorstellen, dass er im Tonstudio zusammen mit Lotte Lehmann vor dem großen Aufnahmetrichter stand und seine Arien schmetterte (vor 1927 finden wir ausschließlich diese Art der akustischen Aufnahmen). Lotte Lehmann muss dabei neben ihm gestanden haben und hat ebenfalls direkt im Tonstudio in den Trichter gesungen.
Die Wachsplatte, die dabei mit den Rillen der Aufnahme versehen wurde, konnte direkt per Hand und Griffel signiert werden.
Bei der späteren Pressung kam das Autogramm auf jede Schellackplatte und wurde mit der Goldfarbe überfärbt. Nun ist es für alle Zeiten erhalten.
Damit bekam die Platte eine ganz besondere Ehrung.
Odeon hat hier eine wirklich hochwertige Platte rausgebracht.
Von Richard Tauber wissen wir, dass er im Laufe der Jahre auf mehreren Wachsmatrizen signiert hat.
Leider hat Lotte Lehmann auf dieser Platte nicht unterschrieben. Sie war eine ebenso große Künstlerin wie Richard Tauber und stand ihm im Weltruhm in nichts nach.
Auf dem Walk of Fame in Hollywood hat sie immerhin einen Stern und die Stadt Wien hat eine Straße in den Lotte-Lehmann-Weg umbenannt.
unten: Aufnahme im Tonstudio bei der französischen Pathé
Odeon xxBo 7311, 1921 (links blau: hier hat das Musikhaus leider nicht nachgedacht - das schöne Odeonzeichen wurde unrettbar überklebt)
Odeon xxBo 8413, 05.1924 (rechts schwarz: schön erhaltenes Label, aber böse Kratzer auf der Seite)
Dajos Bela
Diese Platte kann man noch spielen, sie ist aber stark durch großflächige Kratzer gestört.
Aber sie hat eine Besonderheit: sie hat auf der einen Seite ein blaues Odeonlabel mit Kursivschrift und auf der anderen das klassische schwarze Label mit dem bekannten Odeon-Logo in Blockschrift.
Es gibt einige Platten mit dieser zweiseitigen Labelvariante besonders bei Odeon. Andere Labels waren vorsichtiger damit.
Die blaue Seite enthält den Hinweis auf Dajos Bela als Geigenprimas von 1921, die schwarze weist seinen Namen nur noch ganz bescheiden aus und die Matrize stammt aus 1924.
Was ist nun das Geheimnis dieser Platte?
Erstens müssen wir uns klarmachen, dass die Matrizennummern auf ein unterschiedliches Herstelldatum der Matrize, nicht der Platte hinweisen.
Wenn wir jetzt das spätere Matrizen-Datum 1924 als das frühest mögliche für die Plattenherstellung annehmen, dann liegen wir schon recht nah an der Wahrheit.
Diese Platte wurde als akustische Aufnahme vor 1927 und nach Mai 1924 gepresst.
Dajos Bela war ein Geigenvirtuose, der mit bürgerlichem Namen Leon Golzmann hieß.
In den Zwanzigern war es noch gewünscht, ungarische Künstlernamen zu haben.
Unser Dajos hatte ab 1920 viele Stücke für Odeon aufgenommen.
Er war ein Star und wurde gut in den Musikgeschäften nachgefragt.
Wenn man nun eine Zusammenstellung aus verschiedenen Jahren erstellen wollte, dann bot es sich an, die verschiedenen Matrizen in die Presse zu legen, oben anders als unten.
Das tat man sehr häufig so, um den Kundenwünschen entgegen zu kommen.
So wie wir uns heute Musikzusammenstellungen aus den Nummer-Eins-Hits unserer Lieblingstars auf CD oder als MP3 wünschen.
Warum aber nun die unterschiedlichen Labels?
Denkbar wäre es, dass jemand bei Odeon die Idee hatte, die Labels aus den entsprechenden Matrizenjahren für die jeweilige Plattenseite zu nutzen. 1921 eben das kursive blaue der damaligen Platte, 1924 das schwarze in Blockschrift.
Eventuell hatte man noch Reste der alten Labels im Bestand und wollte sparen?
Endgültig haben wir dieses Phänomen damit noch nicht gelöst.
Unsere Recherchen gehen weiter.
Diese Platte stellt auf jeden Fall eine kuriose Besonderheit dar.
Weltweite Recherchen konnten wir noch nicht betreiben und in den Aufnahmebüchern von Odeon ist dazu nichts vermerkt.
Da es aber einige Platten mit unterschiedlichen Labels gibt, dürfen wir annehmen, dass es wohl Sparsamkeitsgründe gewesen sind.
Für jede neue Musikzusammenstellung den Designer zu bemühen und neue Labels zu drucken dürfte den Preis der Platte überteuert haben. Man musste aber seit 1910 mit 500 anderen Plattenlabels konkurieren, wehalb der Preisfaktor nicht zu vernachlässigen war.
Dajos Bela, Leon Golzmann
(1897-1978)
links: drei Pigmynette-Schellackplatten (im Bestand), 1924-1935
rechts: Pigmyphon (Foto bei Peter Burgherr, Meilen/ Schweiz)
Der Unterschied der kleinen Kinderplatten zu den beiden "erwachsenen" Odeon-Platten ist sehr deutlich.
Aber die Kleinen stehen den Großen in nichts nach. Sie sind ebenfalls aus gutem Schellackmaterial, enthalten ein ordentliches Label und sind von sehr guter Qualität.
Auf allen drei Platten befinden sich Weihnachtslieder.
Man spielt sie ebenfalls mit 78 Umdrehungen ab.
Dafür kann das Pigmyphon benutzt werden, oder jedes normale Grammophon.
Am besten lassen sich diese kleinen Platten aber auf dem Pigmyphon oder einem späteren Plattenspieler mit Diamantnadel für 78 Umdrehungen abspielen.
Das Pigmyphon besteht aus Blech. Der Trichter besteht auch aus Blech.
Sämtliche Bestandteile sind leicht und in einfachster Ausführung gearbeitet.
Die Lautstärke kann man wirklich nur über die Nadeln regulieren und es empfiehlt sich die leiseste Nadelstärke, da es sonst zu einem recht metallisch-lauten Klang kommt.
Bei den klanglichen Nachteilen sollte man aber bedenken, dass dieses Gerät so groß wie eine Keksdose und genauso leicht ist.
Damit war es sicher nicht nur billig, sondern auch praktisch und äußerst haltbar.
Da man auf diesen kleinen Blechdosen auch normal große Schellacks abspielen kann, dürfte es sogar eine niedliche Alternative für das Picknick gewesen sein.
Unsere drei Kinderplatten haben jedenfalls ihren Ehrenplatz in der Ausstellung ergattert.
Sollten wir noch ein Pigmyphon angeboten bekommen, wären wir nicht abgeneigt, es der Sammlung hinzuzufügen.